Vorbemerkung: wir fragen uns, ob das Studiendesign wirklich geeignet ist, irgendetwas über die Anwendung von Westen zur Sekretmobilisation auszusagen. Wenn während einer Durchführung ein Gerät mit oszillierendem Druck (auch schwer!) auf den gesamten Brustkorb wirkt, verändert sich doch die gesamte Atemgeometrie inkl. des Wirkens der Atemhilfsmuskulatur auf den Atemvorgang. Wir meinen: so misst man nur noch „Müll“, eine Ansammlung von Artefakten.
Befremdlich finden wir zudem, dass (s.u.) die Studie von einem der Hersteller gesponsert wurde: International Biophysics, von denen das Modell Afflovest stammt. Daher wurden auch die anderen drei Geräte, die in der Studie verwendet wurden, gepoolt, also die Daten wurden zusammengelegt („Kompressorgeräte“). All dies machte uns etwas ratlos. Wir haben aber dennoch eine Übersetzung versucht. Etwas schwierig war die Übersetzung von cephalad airflow bias. Wir haben uns in der Revision dieses Beitrag vom 21.08.2018 auf Anraten des Dr. Bernhard Rindlisbacher aus der Schweiz für verstärkten kopfwärtsgerichteten Luftstrom entschieden. Wir sind dankbar für seinen hilfreichen Hinweis! Wir nehmen (immer!) dankbar andere Interpretationsansätze zur Studie an. Wir sind natürlich keine Fachleute. |
Quelle / Übersetzung ohne Gewähr
Eine klinische Studie zu Hochfrequenz-Brustwand-Oszillationswesten, die ihre kurzfristigen Auswirkungen auf die gängigen Lungenfunktionsmesswerte vor und während des Gebrauchs untersucht, stellt die Ansicht in Frage, dass diese Geräte durch eine Luftstromverstärkung in der Lunge arbeiten, die für die Schleimbewegung beim Atmen verantwortlich ist.
Die Ergebnisse unter Verwendung etablierter Tests, die forcierte Vitalkapazität (FVC), das forcierte Exspirationsvolumen (FEV1) und forcierte Exspirationsfluss (FEF25%-75%) beinhalten, deuten darauf hin, dass das Konzept der HFCWO-Westen-induzierten verstärkten kopfwärtsgerichteten Luftstroms nicht durch Standard-Spirometriemessungen untermauert wird. „Keine der Westenarten zeigte einen statistisch signifikant erhöhten Luftstrom in der Lunge.“
Rückgänge in der Lungenfunktion wurden zwar registriert, waren aber vorübergehend, und AffloVest von International Biophysics zeigte den geringsten Rückgang bei den wichtigsten Messgrößen.
Die Studie, die den Anspruch erhebt, die erste zu sein, die solche Messungen während der Westentherapie einsetzt, trägt den Titel „Effect of High Frequency Chest Wall Oscillation Vests on Spirometry Measurements“ und wird online im Journal of Pulmonary Technique veröffentlicht.
Die Verengung der Atemwege während der Ausatmung erhöht die Geschwindigkeit und die Kräfte bei der Arbeit in den Atemwegen – was zu einer Verzerrung des kopfwärts gerichteten Luftstroms führt. Ein verstärkter kopfwärtsgerichteter Luftstrom ist verantwortlich für die Bewegung des Schleims in den Atemwegen während der normalen Atmung.
Hochfrequente Brustwandoszillationswesten (HFCWO) gelten als Standard (Anm. des Übersetzers: in den USA) für die Behandlung von Atemwegserkrankungen wie Mukoviszidose, Bronchiektasie, die nicht auf CF beruht und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD).
Derzeit werden zwei verschiedene Technologien für HFCWO-Westen verwendet – eine mit einem pneumatischen Kompressor, der an ein aufblasbares tragbares Oberteil angeschlossen ist, und die andere mit mechanischen Oszillatoren, die in ein tragbares Oberteil integriert sind.
Die Art und Weise, wie HFCWO-Westen die Lungenfunktion verbessern – wie sie durch etablierte Parameter bestimmt wird – ist jedoch nicht bekannt. Die Forschenden machten sich daran, den genauen Wirkmechanismus zu bestimmen, durch den HFCWO-Geräte den Luftstrom verbessern. Sie wollten auch mögliche Unterschiede in den Lungenfunktionsparametern zwischen diesen beiden Gerätetypen untersuchen.
„Die Vibrationswirkung durch die Brustwand hilft, Sekrete zu lösen, ähnlich wie bei der manuellen Brustphysiotherapie (CPT). Diese Studie wurde entwickelt, um die Auswirkungen der Anwendung von HFCWO-Westen auf mechanische Schwingungen und Kompressoren während der Anwendung auf Standard-Spirometrieparameter zu untersuchen“, sagte Thomas W. O’Brien, MD, Pneumologe bei Pulmonary Disease Specialists in Kissimmee, Florida, und Studienleiter, in einer Pressemitteilung.
„Es wurde beansprucht, dass eines der Funktionsprinzipien von HFCWO-Westen einen ‚Luftstrombias‘ in der Lunge erzeugt, aber gültige klinische Beweise dafür fehlen“, fügte er hinzu.
In der prospektiven klinischen Studie (NCT03534986) an 32 gesunden Probanden wurde der Luftstrom während der Anwendung der HFCWO-Therapie gemessen. Vier Arten von Westen wurden verglichen: AffloVest von International Biophysics – dem Sponsor dieser Studie – und The Vest von Hill-Rom, SmartVest von Electromed und inCourage von RespirTech. Die drei letztgenannten sind kompressorbasierte „Airbladder“-Oszillatoren, und AffloVest ist ein mechanisches Oszillator-basiertes Gerät. Die Daten der Personen, die die Kompressorwesten benutzen, wurden gebündelt.
Die Lungenfunktion wurde nach den Richtlinien der American Thoracic Society (ATS) für die Parameter der Basisfunktion der Lunge beurteilt: Zusätzlich zu FVC, FEV1 und Zwangsexspiration (FEF25%-75%) wurden Peak Exspiratory Flow (PEF) und Tidalvolumen (TV) gemessen – eine Maßnahme, die zwischen Beginn und Ende von FVC durchgeführt wurde. Insbesondere FEF25%-75% misst den durchschnittlichen Durchfluss von dem Punkt, an dem 25 Prozent des FVC ausgeatmet wurden, bis zu dem Punkt, an dem 75 Prozent ausgeatmet wurden.
Forschende fanden heraus, dass die Verwendung von HFCWO-Westen auf Kompressorbasis mit einem signifikanten Rückgang von FVC, FEV1 und FEF25-75% im Vergleich zum Ausgangswert oder Studienstart verbunden war, aber solche Einbrüche waren für AffloVest nur signifikant, wenn FEF25-75% gemessen wurde. So war beispielsweise ein Rückgang des FEV1 um 6,0% in der Gruppe der Kompressoren und um 1,4% in der Gruppe AffloVest zu verzeichnen; bei FEF25-75% betrug der Rückgang bei Kompressorgeräten und Oszillatormotorgeräten 14,0% bzw. 4,6%.
Die Standard-Spirometriemessungen zeigten jedoch keine Veränderung des Tidalvolumens und insbesondere der PEF in jeder der beiden HFCWO-Westengruppen – letztere deuten darauf hin, dass diese Westen nicht funktionieren, indem sie den Luftstrom kopfwärts verstärken. „Basierend auf dem Konzept des verstärkten kopfwärtsgerichteten Luftstromsin der Lunge während der Anwendung von HFCWO-Geräten könnte man erwarten, dass der exspiratorische Peak-Flow[PEF] erhöht werden sollte“, stellte die Studie fest.
Nach dem Abschalten der Westen kehrten die Lungenfunktionsmessungen für beide Arten von HFCWO-Geräten auf den Ausgangswert zurück.
„Die Wirkungsweise der HFCWO-Westen ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig verstanden“, schlossen die Forschenden.
Ich habe mich schon einmal gemeldet. Jetzt haben Sie diesen Studienbericht auch noch übersetzt. Warum denn?
Diese Studie wurde mit _gesunden_ Probanden durchgeführt. Was soll denn der Nutzen sein bei gesunden Probanden ???
Ausserdem geht es nur um die Veränderung von Erstsekundenvolumen etc. _während_ den 30 Minuten oder so Westentherapie. Es wurden keine Messungen _nach_ der eigentlichen Theapie gemacht.
Die Studie mag wissenschaftlich interessant sein, mit der Behandlung bei CF und PCD hat sie aber gar nichts zu tun.
Nachtrag zu oben: Direkt nach der Theapie wurden die Lungenfunktionswerte auch gemessen, sie waren wieder normal.
Hier noch zum „Cephalad airflow bias“:
Da geht es offenbar darum, dass bei der Ausatmung die Luftwege etwas verengt werden und damit der Luftstrom verstärkt wird, was eine Beförderung von Sekret in Richtung Kopf bzw. Rachen bewirkt und zur Reinigung der Bronchien beiträgt. Besonders verstärkt ist dieser Luftstrom beim Husten.
Mein Übersetzungsvorschlag ist „verstärkter kopfwärtsgerichteter Luftstrom“ (einfach ohne „Vorspannung“).
Dieser verstärkte Luftstrom konnte laut Autoren nicht nachgewiesen werden bei Anwendung der Weste, weil sonst das PEF der maximale Fluss bei der Ausatmung, während der Anwendunghätte erhöht sein müssen.
Englische Erklärung zu „Cephalad airflow bias“:
Cephalad airflow bias regulates the movement of airway
mucus during normal breathing. In healthy individuals,
airway diameters increase on inspiration and decrease on
expiration. During normal (tidal) breathing, airway narrowing
during exhalation results in increased airflow velocity and
shearing forces that induce a _cephalad airflow bias_. This airflow
bias is greatly amplified during coughing or sneezing because
increased transmural pressure causes the airways to constrict.
Sehr geehrter Herr Dr. Rindlisbacher,
den vor wenigen Tagen in englisch erschienenen Beitrag haben wir übersetzt, weil in einem sozialen Netzwerk vor wenigen Tagen eine auf HFCWO-Westen bezogene Anfrage über Erfahrungen usw. gestellt worden war. Die mangelnde Übertragbarkeit auf Menschen mit CF heben wir aufgrund ihrer richtigen Bemerkung, dass die Studie an gesunden Probanden erstellt worden war, noch mehr hervor.
Für Ihren Übersetzungsvorschlag sind wir sehr dankbar, den übernehmen wir natürlich gerne. Unsere Formulierung kopfwärts gerichtete Luftstromvorspannung kam uns tatsächlich ziemlich „spanisch“ vor.
Einmal mehr danken wir Ihnen sehr für die Mithilfe!
Mit freundlichen Grüßen
Kai-Roland Heidenreich
Sehr geehrter Herr Heidenreich,
Vielen Dank für Ihre Erläuterung. Ich bin auch Patient mit Primärer Ciliärer Dyskinesie, welche v.a. in den USA auch mit diesen Westen behandelt wird. So ist diese Studie auch durch unsere Patientgruppen „gegeistert“. Mich hat insbesondere gestört, dass die „Cystic Fibrosis News“ einen Titel gewählt haben (wie von Ihnen übersetzt), der eine völlig andere und effektiv falsche Aussage macht, als die Studie selbst mit dem neutralen und soweit korrekten Originaltitel „Effect of High Frequency Chest Wall Oscillation Vests on Spirometry Measurements“. Wie Sie selber in ihrer Einleitung formuliert haben ist dann zusätzlich auch die Art und Durchführung der Studie selbst sehr fragwürdig. Wie ich oben zitiert habe, wird der kopfwärts gerichtete Luftstrom, welcher den Schleim bewegt, durch eine _Verengung_ der Bronchien bei der Ausatmung bewirkt. Eine _Verengung_ der Bronchien führt aber zu einer Reduktion des FEV1 (wie die Autoren das bei ihrer Messung tatsächlich festgestellt haben) und zu einer _Reduktion_ des maximalen Atemstromes (PEF), wenn man in ein Lungenfunktionsgerät bläst. Meiner Meinung nach ist deshalb die Grundaussage der Studienautoren am Schluss, also ihre Konklusion „Based on the concept of increased cephalad airflow bias in the lungs during use of HFCWO devices, one might expect that the expiratory peak flow should be _increased_. However, our study in healthy volunteers _showed no increases in PEF_ in any of the HFCWO vest groups. _On the contrary_, we demonstrated a decrease in the expiratory airflow parameter FEF25-75%“ aus meiner Sicht schlicht falsch. Der expiratorische Atemfluss bei der Westentherapie müsste aufgrund des Konzeptes des „increased cephalad airflow bias“ zwar tatsächlich verstärkt sein. Das müsste man aber mit einer Sonde direkt in den Bronchien während der Westentherapie messen, während eine PEF-Messung mit einem Lufu-Gerät genau das Gegenteil ergeben _muss_, weil die Bronchien bei der Ausatmung durch die oszilliernde Westenwirkung rhythmisch _verengt_ werden, also der selbst geblasene PEF wenn schon reduziert und sicher nicht erhöht sein müsste.
Ja, eigentlich erschließt sich es schon dem „gesunden Menschenverstand“, dass hier die Versuchsanordnung die Messung zerstört.
Wenn wir solche Artikel übersetzen, dürfen wir dabei zum Schutz des Urhebers wissentlich keine Veränderung am Inhalt herbeiführen. Cysticfibrosisnewstoday (CFNT) hat ja auch nicht die Studie gepostet, sondern eine redaktionelle Zusammenfassung. Insofern hatten sie sich entschieden, die angenommene Conclusio in den Titel zu übernehmen. Tatsächlich ist dieser Artikel insgesamt kein besonderes Highlight, da auch viele Wiederholungen enthalten sind. Dennoch handelt es sich bei CFNT in unseren Augen insgesamt um eine sehr gute Quelle, an der nicht viel unbemerkt vorbeizugehen scheint, was gerade für Menschen mit CF vielleicht relevant sein könnte. Die Aktualität ist häufig ausgezeichnet – natürlich auch auf die Bedürfnisse der Nordamerikaner fokussiert. Dennoch haben wir häufig von ihnen als erstes erfahren, was HIER in Europa gerade Neues zum Thema zu berichten war 😉 – Ich glaube, wir sind weit davon weg, so etwas in umgekehrter Weise zu leisten.
Sehr geehrter Herr Heidenreich
Diese Studie wurde inzwischen auch in “Bronchiectasis News Today” präsentiert, unter dem adaequateren Titel “Airway Clearance Vests Don’t Operate by Increasing Airflow Bias in the Lungs, Study Shows”.
Allerdings bin ich überzeugt, dass diese „Studie“ ohnehin nichts wert ist. Ich habe deshalb den folgenden „Letter to the Editor“ geschrieben. Ich bin gespannt …
Dear Sir
In the article „Effect of High Frequency Chest Wall Oscillation Vests on Spirometry Measurements” the basic assumption from which the authors deduce their conclusion is the following: “Based on the concept of increased cephalad airflow bias in the lungs during use of HFCWO devices, one might expect that the expiratory peak flow should be increased.” From this assumption they deduce, based on lung function measurements, “that the concept of HFCWO vest-induced cephalad airflow bias is not supported by standard spirometry measurements”.
In my view this basic assumption is wrong. Why should the expiratory peak flow of healthy persons go up if they wear a (quite heavy) vest and undergo intermittent compression by this vest?
During normal (tidal) breathing, during cough and so on, _airway narrowing_ during exhalation results in increased airflow velocity and shearing forces that induce a cephalad airflow bias.
The flow rate of the air in the bronchi depends on the expiratory volume (of air) in a certain time and the given cross sectional area. If the total cross sectional area of the bronchi is reduced by the (intermittent) compression of the vest and the volume of the expired air per second (FEV1) or millisecond (peak flow) stays the same it means that the velocity of the flow of air in the bronchi has gone up. (The volume flow rate Q of a fluid is defined to be the volume of fluid that is passing through a given cross sectional area per unit time.) So this is very much in line with the concept of increased cephalad airflow bias in the lungs. It is simply not possible to deduce from the lung function measurements anything on the situation in the bronchi because you do not have any information on the narrowing of the bronchi or the diameter of the bronchi. It can well be that the compressor-based HFCWO vests that showed a reduction of FEV1 perform better than Afflovest as they possibly achieve a more intense compression of the bronchi and so a higher flow in the bronchi.
Sehr gut! Ich bin gespannt, ob und wie dort auf Ihren Hinweis auf die statischen Teile der Einwirkung von HFCWO-Westen zum Beispiel durch deren bloßes Gewicht reagiert wird.