Oh, die Psyche wird erwähnt!
Die CFTR-Triple-Modulatortherapie, hierzulande bekannt als Kaftrio + Kalydeco, ist nun seit ca. drei Jahren im EU-Raum zugelassen. In vielen anderen Ländern ist sie als Trikafta bekannt, wir nennen sie in diesem Beitrag ETI als Abkürzung der drei enthaltenen Wirkstoffe Elexacaftor, Tezacaftor, Ivacaftor.
Zu dieser Therapie ist kürzlich die Übersichtsarbeit („Review“) Post-approval studies with the CFTR modulators Elexacaftor-Tezacaftor—Ivacaftor des ausgewiesenen CF-Experten Prof. Burkard Tümmler im renommierten Fachmagazin Frontiers in Pharmacology erschienen, aus dem wir aus folgenden Gründen das Kapitel „Offene Fragen“ in hoffentlich für Laien einigermaßen verständlicher Sprache übersetzen möchten.
Denn der letzte Abschnitt „Offene Fragen“ enthält bemerkenswerte Feststellungen zu etwaigen psychischen und/oder neuropsychiatrischen Auswirkungen von ETI – also über ein offenes Geheimnis der CF-Community. Allein schon deren Erwähnung erfreut nun sehr! Denn leider wird an vielen CF-Ambulanzen die Existenz solcher Probleme geleugnet: „Davon haben wir noch nie gehört!“.
In der Folge fühlen sich betroffene Menschen mit CF und deren Angehörigen mit zum Teil erheblichen Sorgen und Nöten allein gelassen. Dieses Leugnen zeigt zudem deutlich, dass viele CF-Versorgende hierzulande entgegen anderer Beteuerungen offensichtlich nicht genug miteinander kommunizieren.
Einige Betroffene sehen sich von ihren CF-Versorgenden in einer Weise bedroht, dass sie leider ohne Absprache mit den Dosierungen experimentieren.
Therapieadhärenz ist die Folge einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aller Beteiligten.
CF-Versorgende sollten verstehen, dass sich die Betroffenen in einem erheblichen Zielkonflikt befinden, weil sie einerseits die gute Auswirkung der Medikation auf den Körper überdeutlich sehen, aber andererseits die psychischen oder neurologischen Auswirkungen einfach nicht auszuhalten sind.
Ein adäquates Hilfsangebot existiert leider auch häufig nicht.
Offene Fragen
Fraglos hat ETI Lebensqualität und Prognose vieler Menschen mit CF verbessert. Hier ein Überblick über unser aktuelles Wissen darüber, wie Menschen mit CF auf ETI unter realen Bedingungen ansprechen:
Allgemein
Verbesserungen der Lebensqualität (Cystic Fibrosis Questionnaire-Revised (CFQ-R) respiratory domain score), aber: geringe oder keine Verbesserung der Symptome außerhalb der Lunge bei Empfängern von Lungentransplantaten
CFTR Biomarker
Haut
Verbesserung der durch CFTR vermittelte Rückgewinnung von Chlorid in den Schweißdrüsenausführungsgängen, aber: geringe oder keine Verbesserung der CFTR-vermittelten Schweißsekretion der Sekretionsspirale
Wirkungen in den Hüllengeweben (Epithelien)
Verbesserung der durch CFTR vermittelten Chloridleitfähigkeit in den Epithelien der Atemwegen, der Chloridabgabe in denen des Darms, der Bikarbonatabgabe in denen der Niere
Nasennebenhöhlen
Verbesserung im SinoNasal Outcome Test (SNOT-22) zur Messung der Lebensqualität der Nasennebenhöhlen
Weniger Nasenpolypen, Nasennebenhöhlenverschattungen und Schleimhautschwellungen
Untere Atemwege
Verbesserung der Lungenfunktion (Spirometrie, LCI), Verringerung fester Schleimansammlungen, Rückgang der Verdickung der Bronchialwände, weniger pulmonale Exazerbationen, geringe oder keine Sputumproduktion, aber: wenige oder keine Konsolidierung des Lungengerüsts, unveränderte Lungendurchblutung
Mikrobiologie der Atemwege
Verringerung der bakteriellen Belastung, Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa werden seltener nachgewiesen, aber: mikrobielles Netzwerk bleibt zerbrechlich, Fehlbesiedlungen bleiben
Immunologie
weniger systemische Entzündungsvorgänge und in der Lunge
Herz-/Kreislauf/Gefäßsystem
Selten systemischer arterieller Bluthochdruck
Ernährung und Darm
Verbesserte Aufnahme von Nährstoffen und fettlöslichen Vitaminen, Gewichtszunahme, aber: keine oder schwache Verbesserung der exokrinen Pankreasfunktion
CF-Diabetes
widersprüchliche Ergebnisse von Nachzulassungsstudien
Leber-/Gallesystem
Keine oder schwache Verbesserung des Gallensäurenstoffwechsels, möglicherweise Zunahme der Lebersteifheit bei Kindern und Heranwachsenden
Haut
selten: Hautausschlag, medikamenteninduzierte Akne
Fortpflanzung
Zunahme von Schwangerschaften
Seelische Gesundheit
Veränderungen des psychischen Zustands bei etwa 5-10% der Erwachsenen
Resümee
Nach nur drei Jahren seit der Zulassung ist es zu früh, zu sagen, ob die dreifache Modulatortherapie das Fortschreiten der Lungenerkrankung bei CF langfristig stoppen kann. Inländische multizentrische Studien zur Langzeitbeobachtung wie PROMISE werden voraussichtlich dieses Problem lösen, indem sie den Verlauf von Lebensqualität, von Daten wie Größe und Gewicht sowie der Atemwegserkrankung je nach Alter und Krankheitsstatus bei Beginn der Dreifachtherapie schichten.
Eigene Daten zum mikrobiellen Atemwegsmetagenom deuten darauf hin, dass nach einer vorübergehenden Normalisierung die Fehlbesiedlung nach einem Jahr ETI-Therapie zurückkehrt. Die Bakterienlast in den Atemwegen wird durch ETI reduziert, aber die typischen CF-Pathogene werden nur selten vollständig beseitigt. Daher ist es derzeit unklar, ob die antimikrobielle Chemotherapie in gleichem Maße fortgesetzt werden muss. Angesichts der widersprüchlichen Ergebnisse der veröffentlichten Studien sollte der Einfluss der CFTR-Modulatortherapie auf den CF-bezogenen Diabetes mellitus weiter geklärt werden.
ETI kann den Salz- und Wasserhaushalt normalisieren. Der arterielle Blutdruck steigt jedoch leicht an, was dazu führen kann, dass Menschen mit CF ähnlich wie die normale Bevölkerung nun einem höherem Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen ausgesetzt sind.
Psyche
Die wahrscheinlich zu wenig berichteten Nebenwirkungen von Veränderungen des mentalen Zustands erfordern besondere Aufmerksamkeit.
Zukünftige Studien sollten uns erklären, ob diese Störungen der mentalen Gesundheit entweder
- eine unangemessene Anpassung an das Medikament widerspiegeln, das die lebenslange Perspektive des Patienten verändert, und/oder ob sie
- – wahrscheinlicherweise – die unvermeidliche Folge des Gewinns an CFTR-Funktion im zentralen Nervensystem sind, das zuvor noch nie funktionelles CFTR hervorgebracht hatte, aber jetzt mit Chloridkanalaktivitäten umgehen muss, die von Anfang an vollständig von anderen Teilen des neuronalen Netzwerks kompensiert worden waren.
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